Am 25.11.2016 besuchten wir – der Leistungskurs Geschichte 12. Klasse – mit Herrn Friesen die Euthanasie-Gedenkstätte Lüneburg, die sich auf dem Gelände der psychiatrischen Klinik Lüneburg im ehemaligen Badehaus am Wasserturm befindet. Wir wurden von Herrn Bendler, einem Pfleger der psychiatrischen Klinik, der außerdem ehrenamtlich für die Gedenkstätte tätig ist, über die Geschichte der Anstalt informiert. Die psychiatrische Klinik wurde im Jahre 1901 unter dem Namen „Landes- Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg“ eröffnet und genoss zum damaligen Zeitpunkt ein hohes Ansehen.
Zuerst gab es von Herr Bendler eine Einführung in die Geschichte und Entwicklung der Klinik. Anschließend folgten detaillierte Informationen über die Nutzung ab den 1920er Jahren und während der Zeit des Nationalsozialismus. Im Jahr 1920 erschien das Buch „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ von Dr. K. Binding und Dr. A. Hoche, das zur weiteren Verbreitung des „Sozialdarwinismus“ beitrug. Ab 1922 wurden Menschen mit psychischen und körperlichen Erkrankungen gesellschaftlich zunehmend ausgegrenzt. Eine der späteren Folgen war, dass im Raum Lüneburg ab 1934 auf Grund von Gerichtsurteilen an 1200 Betroffenen Zwangssterilisationen durchgeführt wurden.
Mit einem Schreiben Hitlers aus dem Jahr 1939, dass sich mit dem „Gnadentod“ befasste, wurde die Eröffnung des Tötungsprogramms eingeleitet. Weite Teile der Bevölkerung wussten wohl weitestgehend nichts von dem Tötungsprogramm, sondern gingen davon aus, dass dort Kinder und andere Patienten behandelt oder geheilt würden – Todesfälle in der Klinik wurden mit anderen Erkrankungen vertuscht.
Zwischen 1941 und 1945 wurden in der Einrichtung vermutlich zwischen 300 und 350 geistig oder körperlich behinderte Kinder aus ganz Norddeutschland im Rahmen des „Euthanasie“-Programms der Nationalsozialisten ermordet. Während dieses Zeitraums wurden auf Grund dessen deutschlandweit insgesamt ca. 200.000 Menschen getötet, zum Beispiel durch gezielte Medikamentengabe und bewusste Vernachlässigung.
Herr Bendler verstand es, anhand von Statistiken die Gesamtdimension aufzuzeigen und gleichzeitig durch die Schilderung von Einzelschicksalen das Geschehene für uns persönlicher zu machen. So wies er zum Beispiel darauf hin, dass die Sterberate in der Lüneburger Heilanstalt höher als in allen anderen Heilanstalten zu dieser Zeit war.
Das Kriegsende bedeutete nicht gleichzeitig das Ende der Vernachlässigung von Patienten, dies setzte sich bis 1946 fort. Obwohl bereits in den 1960er Jahren begonnen wurde, die Geschehnisse aufzuarbeiten, konnte bis heute nicht restlos rekonstruiert werden, was in der Anstalt seit den 1920er Jahren passierte. Im November 2004 wurde die Gedenkstätte als „Bildungs- und Gedenkstätte „Opfer der NS-Psychiatrie“ eröffnet.
Am Ende des Besuchs hatten wir eine Gesprächsrunde mit Herrn Bendler, in der wir unsere Eindrücke und Gefühle ausgetauscht haben. Wir waren alle erschüttert und betroffen und fanden, dass das kalte und neblige Wetter dieser Stimmung angemessen war. Wir finden, dass solche Exkursionen wichtig sind, um die schrecklichen Verbrechen der NS-Zeit für uns und spätere Generationen greifbarer zu machen. Gedenkstätten wie diese helfen bei der Aufarbeitung der Vergangenheit und der Arbeit gegen das Vergessen der Opfer.
Sophie Keller, Josie Oldenburg, Tessa Glieman